ÖGUT-Umweltpreis–Wordrap

Norbert Mayr: „Wenn man über das eigene Quartier hinausdenkt, können Orte mit hoher Wohnqualität entstehen“

Das Projekt "Wohnhausanlage MGG22" wurde für den ÖGUT-Umweltpreis 2019 in der Kategorie "Stadt der Zukunft" nominiert. Im Interview spricht Norbert Mayr, Geschäftsführer der M2plus Immobilien GmbH, darüber, wie wichtig es ist, Baukultur und Energie-Technik zusammenzudenken.

Norbert Mayr. © privat

Mit dem Wohnquartier MGG22 setzte Initiator Norbert Mayr gemeinsam mit dem gemeinnützigen Wohnbauträger „Neues Leben" im 22. Wiener Bezirk seine Vision des sozial und ökologisch nachhaltigen Wohnens um: Das offene Wohnquartier mit 160 Einheiten in Stadlau wird mit Windenergie, Bauteilaktivierung und Wärmepumpen mit Tiefensonde geheizt und gekühlt. Die bauteilaktivierten Bauten können überschüssige, sonst verlorene Windenergie speichern, womit die Windkraftanlage – ebenso über den Lebenszyklus – ihren Wirkungsgrad verbessert. Im Interview betont der technik- und architekturaffine Bauherr insbesondere die städtebauliche Dimension und das Miteinanders der BewohnerInnen.

Die Idee ...

war, über die Grenzen des Baugrundes der Familie hinauszudenken, mit dem Nachbarn zu kooperieren, einen gemeinnützigen Wohnbauträger mit baukulturellem Anspruch zu wählen und gemeinsam mit „Neues Leben" und den engagierten PlanerInnen ein engergietechnisch, aber auch architektonisch-städtebaulich anspruchsvolles Wohnquartier zu realisieren. Über den Lebenszyklus den ökologischen Fußabdruck zu minimieren und insbesondere mit der kühlenden Temperierung im Sommer den zudem kostengünstigen Wohnkomfort zu maximieren, das leistet das innovative Energiekonzept von „FIN". Gut 60 verschiedene Obst- und Beerensorten sowie Kräuter in unseren drei Höfen und Plätzen spiegeln das Thema „Essbare Stadt" wider: Alles wird gemeinschaftlich genutzt, das Quartier ist – im Gegensatz zur Nachbarsiedlung – nach außen offen.

© Matthäus und Norbert Mayr

Die Herausforderung ...

war, die innovative Haustechnik bei den im sozialen Wohnbau damals noch gedeckelten Errichtungskosten mitzustemmen. Ein entschlossenes Bauherren-Team – mit Direktor Johann Gruber von „Neues Leben" – bildete die Voraussetzung. Unser Anspruch, über den Bauwerks-Lebenszyklus möglichst geringer laufender Kosten auch fürs Heizen und Kühlen sollte künftig bei politischen Lenkungsmaßnahmen eine größere Rolle spielen, ebenso der geringe ökologische Fußabdruck im Lebenszyklus des Quartiers durch das Low-Tech-Haustechnik- bzw. Energiekonzept mit Wärmepumpen und Tiefenbohrungen.

An heißen Sommertagen wird die Bauteilaktivierung die Wohnungen kühlend temperieren. Die Balkone und Terrassen der oft auch querlüftbaren Wohnungen der Häuser 6 und 7 sind meist im Süden oder Westen, sie können begrünt und bepflanzt – vielleicht sogar zu kleinen Lauben mit angenehmem Mikroklima – werden. Stahlstrukturen, Pergolen, Niro-Seile etc. sind bauseits vorgesehen. Zur Anregung wurden Tafelwein-Stecklinge verschenkt, nun sind die BewohnerInnen gefordert.

© Matthäus und Norbert Mayr

Der Tipp ...

Wichtig ist eine intensive und gründliche Planungsphase weit in die Details und Grundrisse hinein. Wenn man die ArchitektInnen gut bezahlt und über das eigene Quartier hinausdenkt, können Orte mit hoher Wohnqualität entstehen. Die BewohnerInnen können die Freiflächen gemeinschaftlich nutzen und bewirtschaften, ebenso einen großen Gemeinschaftsgarten, bereits ausgestattet mit Gerätekontainer und Pergola - auch das verringert die Mobilität. Die baukulturell und energietechnisch ambitionierte Gesamtkonzeption dient der CO2-Reduktion, die energiesparende, kühlende Wohnungstemperierung auch der Klimafolgenanpassung. Im Sinne der Klimagerechtigkeit sollte das System in Regionen mit ungleich drastischeren Überhitzungen Einsatz finden. Wir in Österreich, als hochentwickeltes Industrieland und einer der Verursacher der Klimakrise, jammern auf hohem Niveau.

Die Nominierung zum ÖGUT-Umweltpreis ...

wird hoffentlich dazu beitragen, dass unser Gesamtkonzept von vielen umgesetzt wird: Meines Erachtens müssten künftig möglichst alle Neubauten bauteilaktiviert werden! Dieses Low-Tech-Speichern alternativer Energiequellen sollte Standard werden, um die dringend notwendige Energiewende zu unterstützen. Die Politik ist gefordert, schließlich hat Österreich 100% Ökostrom bis 2030 als Ziel!

35 Jahre ÖGUT ...

Eine Anregung für künftige Preise: Gut wäre, die einzelnen Kategorien bzw. Kriterien ganzheitlich stärker zusammenzuführen: Technik, Energie, Digitalisierung etc. sind intelligente Teilaspekte von Gesamtstrategien, die Menschen und besonders der Umwelt dienen sollten.

v.l.n.r.: Theodor Zillner (BMVIT), Harald Kuster (FIN – Future Is Now Kuster), Norbert Mayr (M2plus Immobilien), Johann Gruber (Gemeinnützige Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Neues Leben), Rene Alfons Haiden (Präsident der ÖGUT), Monika Auer (Generalsekretärin der ÖGUT). © Katharina Schiffl