Laura Bassi 4.0
Studie zu Digitaler Ungleichheit: „Technologien keine neutralen Produkte“
Erstellt wurde die Hintergrundstudie von Joanneum Research und der ÖGUT im Auftrag der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Siri oder Alexa, die auf sexuelle Anspielungen von Männern verständnisvoll bis humorvoll reagieren – auf die von Frauen klar ablehnend. Selbstfahrende Autos, die Rollstuhlfahrende nicht erkennen. Job-Algorithmen, die Frauen bei Technologiejobs automatisch nach hinten reihen. Oder Smart Homes, die nur noch von TechnikerInnen bedient werden können: „Anhand vieler Beispiele zeigt sich immer wieder, dass digitale Technologien keine neutralen Produkte sind", erklärt die Studienautorin und Joanneum Research-Forscherin Sybille Reidl, „sondern die Perspektive derer widerspiegeln, die sie entwickelt haben".
Und das sind zu einem Großteil jüngere und technisch gebildete Männer: Nur rund 18 Prozent der Informations- und TechnikspezialistInnen sind Frauen, so eine Zahl aus der Studie „Digitale Ungleichheit: Wie sie entsteht, was sie bewirkt... und was dagegen hilft", die im Auftrag der FFG von Joanneum Research und der ÖGUT erstellt wurde.
Auch in Bezug auf Alter, soziale Schicht oder Hautfarbe können über Technologien Ungleichheiten verstärkt werden, wie die Studie anhand von Beispielen aufzeigt. „Dieses Thema wird auch gerade im Zusammenhang mit der Protestbewegung in den USA erneut diskutiert", ergänzt die ÖGUT-Projektleiterin Beatrix Hausner: „So übernehmen beispielsweise Gesichtserkennungstechnologien Vorurteile gegenüber Minderheiten und verstärken diese."
650.000 „Offliner" in Österreich
Darüber hinaus finden sich in der Studie auch Zahlen und Statistiken dazu, wer überhaupt Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in Österreich hat. Demnach nutzen rund zehn Prozent der ÖsterreicherInnen das Internet nicht – das sind immerhin 650.000 „Offliner". Bei der Versorgung von Breitbandanschlüssen zeigt sich ein starkes Stadt-Land-Gefälle hinsichtlich der verfügbaren Geschwindigkeiten.
Nach Alter und sozialer Schicht gibt es ebenso große Unterschiede: So greifen nur knapp mehr als die Hälfte der 65- bis 74-Jährigen regelmäßig auf das Internet zu (61 Prozent der Männer bzw. 47 Prozent der Frauen). Unter den Personen mit niedrigem Bildungsgrad nutzen 24 Prozent das Internet nicht; im höchsten Bildungssegment sind es nur drei Prozent.
Auch wenn sich in Teilbereichen – beispielsweise im Bereich Gender – bereits erste Erfolge zeigen, gilt es hier weiterhin aktiv gegenzusteuern, betonte Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck in einer Presseaussendung: „Mir ist es dabei ein zentrales Anliegen, dass wir fair durch die digitale Welt navigieren und bestehende Ungleichheiten in der Gesellschaft durch neue Technologien nicht verstärkt, sondern abgebaut werden. Wir wollen Digitalisierung mit allen und für alle gestalten."
Die FFG-Geschäftsführung betonte die Bedeutung des Programms Laura Bassi 4.0, über das inter- und transdisziplinäre Forschungs- und Innovationsnetzwerke mit Schwerpunkt der Projekttätigkeit am Schnittfeld von Digitalisierung und Chancengerechtigkeit gefördert werden.
Im Rahmen des Netzwerkes Laura Bassi 4.0 werden ab Herbst 2020 Workshops mit Stakeholdern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung sowie Zivilgesellschaft abgehalten. Das Netzwerk unterstützt und koordiniert experimentelle Pilotaktivitäten in verschiedenen Themenbereichen und wird von der FFG in Zusammenarbeit mit ÖGUT (Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik) und Joanneum Research sowie dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) aufgebaut.
Studie „Digitale Ungleichheit – und was wir dagegen tun können"