ÖGUT-Umweltpreis 2024
Nominiert in der Kategorie Partizipation und zivilgesellschaftliches Engagement, Top-Down
Bürger*innen-Budget (Marktgemeinde Wolfurt)
Um das neue Gemeinde-Leitbild lebendig zu halten, wurde im Jahr 2024 in der Marktgemeinde Wolfurt erstmals das „Bürger*innen-Budget" eingeführt. Zudem soll sich eine nachhaltige Beteiligungskultur etablieren, bei der die Bürger*innen nicht nur gehört werden, sondern aktiv an der Mitgestaltung ihrer Gemeinde teilnehmen. Langfristig soll das Bürger*innen-Budget als wiederkehrendes Beteiligungsformat verankert werden, um den Bürger*innen laufend die Möglichkeit zu geben, Wolfurt als Lebensraum weiterzuentwickeln. Das Partizipationsprojekt richtete sich an eine breit gefächerte Zielgruppe, die verschiedene Altersgruppen, Geschlechter und Erfahrungen umfasst. Alle Wolfurter*innen sollten Teil davon sein können.
Bürger*innen konnten im Laufe des Beteiligungsprozesses einreichen und anschließend durch hybride Formate abstimmen. Die favorisierte Projektidee erhielt ein Budget von € 15.000 für die eigenständige Umsetzung. Der gesamte Prozess wurde in Zusammenarbeit mit dem Büro für Freiwilliges Engagement und Beteilung FEB und den zwei Beteiligungsbeauftragten der Gemeinde ausgearbeitet. Er wurde umfassend medial begleitet und über die Gemeindezeitung, die Website sowie die sozialen Medien beworben. Zusätzlich konnten Bürger*innen den Prozess auf eigens errichteten Online-Beteiliungsplattform transparent und nachvollziehbar verfolgen.
Ein Pilotprojekt mit Vorbildcharakter
Das Bürger*innen-Budget repräsentiert ein Pilotprojekt in Vorarlberg, das der Bevölkerung direkte Entscheidungsmacht einräumt und Selbstwirksamkeit erlebbar macht. Die Bürgerbeteiligung zog sich als roter Faden durch das gesamte Projekt: Sie begann bei der Entwicklung des neuen Gemeindeleitbildes, an dem sich Bürger*innen aktiv einbringen konnten, und setzte sich mit dem Bürger*innen-Budget in der Belebung des Leitbildes fort.
Ein herausragendes Merkmal des Projektes ist die konsequente Transparenz, die sowohl in der internen als auch externen Kommunikation eine zentrale Rolle spielt.
Der Weg zum prämierten Projekt
Zur Unterstützung des Bürger*innen-Budgets in der Gemeinde wurde ein Unterstützungskreis gegründet. Dieser bestand aus einer Gruppe von 15 möglichst diversen Bürger*innen, die die Vielfalt der Gemeinde widerspiegeln, in der Gemeinde gut vernetzt sind und als kritische Beobachter*innen sowie als Unterstützung bei der Bewerbung und der Ideensuche fungierten.
- Das Projekt startete mit einer Auftaktveranstaltung, bei der das neue Gemeinde-Leitbild sowie das Konzept des Bürger*innen-Budgets vorgestellt wurden. Interaktive Formate ermöglichten den Teilnehmenden einen Einblick in die verschiedenen Themenbereiche des Leitbildes, zu denen Projektideen eingereicht werden konnten. An der Auftaktveranstaltung nahmen rund 50 Personen teil - eine bunt gemischte Gruppe aus Politik, Bürger*innen und Verwaltung.
- Phase der Ideeneinreichung: Sechs Wochen lang konnten Bürger*innen ihre Vorschläge sowohl online über die Beteiligungsplattform als auch persönlich im Rathaus einreichen. Die Kriterien für die Einreichungen wurden bewusst einfach gehalten und transparent kommuniziert.
- Machbarkeitsprüfung: Nach der Einreichungsphase wurden die Projekte von den Fachabteilungen der Gemeinde geprüft, um sicherzustellen, dass sie den Kriterien entsprechen, das Budget einhalten und im Einklang mit dem neuen Gemeinde-Leitbild stehen.
- Die Projektschmiede war ein wichtiger Meilenstein. Hier konnten Bürger*innen gemeinsam mit den Projekteinreichenden ihre Ideen diskutieren und weiterentwickeln. Diese Veranstaltung war Ort der Begegnung und bot Raum für Austausch, Input und kollektive Weiterarbeit an den Projektideen. An der Projektschmiede nahmen etwa 20 engagierte und interessierte Personen teil. Für diese Veranstaltung waren auch sogenannte „Tischgastgeber*innen" aus der Verwaltung eingebunden.
- Abstimmungsphase: Zwei Wochen lang konnten allen Bürger*innen für ihr favorisiertes Projekt online oder analog im Rathaus abstimmen. Insgesamt wurden 10 Projekte eingereicht, und es haben 212 Bürger*innen ihre Stimme abgegeben.
- Partiziparty: Der Höhepunkt war das Beteiligungsfest, bei dem das Siegerprojekt, die Kneipp-Anlage, feierlich verkündet wurde. Durch das Projekt werden ein attraktiver Wohlfühlort und ein neuer Ort der Begegnung geschaffen. Neben dem Bürger*innen-Budget wurden auch andere partizipative Projekte der Gemeinde gefeiert und vor den Vorhang geholt. Am Beteiligungsfest nahmen etwa 150 Besucher*innen teil.
- Evaluation: Das Bürger*innen-Budget wird nach Abschluss mit einer diversen Gruppe aus Verwaltung, Politik, Bevölkerung und Mitwirkenden evaluiert. Hier sollen Verbesserungspotentiale gefunden und Grundlagen für die Fortführung des Projektes gesammelt werden.
Gemeinsam Hürden überwinden
Zu den Herausforderungen des Projekts zählten der hohe zeitliche und personelle Aufwand für die Beteiligungsbeauftragten sowie die Aktivierung diverser Zielgruppen (vor allem Jugendliche). Gelöst wurde das sowohl durch die Begleitung durch das Land Vorarlberg, die Erstellung einer gemeinsamen Kommunikationsstrategie sowie die Mithilfe des ehrenamtlichen Unterstützungskreises. Zudem wurden die Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung kontinuierlich über den Fortschritt des Projekts informiert, was zu einer breiten Akzeptanz und Unterstützung innerhalb der Verwaltung führte.
Um eine hohe Beteiligung sicherzustellen, setzte das Projektteam auf eine Kombination aus persönlichen Gesprächen, verschiedenen Veranstaltungen und Formaten (online und offline) sowie einem Newsletter für Mitwirkende, der über den aktuellen Stand des Projekts informierte. Mundpropaganda spielte für das gesamte Partizipationsprojekt eine entscheidende Rolle, um den Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung zu erhöhen. Auch die Beteiligungsplattform, Social Media und andere Gemeinde-Medien wie die Gemeindezeitung waren von großer Bedeutung.
Durch den gesamten Prozess wurde eine offene und wertschätzende Kommunikation zwischen Verwaltung und Bevölkerung gefördert sowie der Austausch zwischen unterschiedlichsten Akteuren gestärkt.
Finanzierung
Die fachliche Begleitung und Bereitstellung der Beteiligungsplattform wurden vom Land Vorarlberg finanziert, während die Marktgemeinde Wolfurt die Veranstaltungskosten sowie das Budget von 15.000 Euro für das Bürger*innen-Budget übernahm.
Die nächsten Schritte
Das Siegerprojekt soll innerhalb eines Jahres realisiert werden, damit die Verwirklichung des Projektes beim wiederkehrenden Beteiligungsfest gefeiert werden kann.
Die positive Reputation des Projekts erstreckt sich bereits über nationale Grenzen hinweg. Die FH Vorarlberg forscht gemeinsam mit der Ostschweizer FH an Partizipationsprojekten und führte Interviews mit Teilnehmenden des Bürger*innen-Budgets durch. Gerne ist die Gemeinde bereit, ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Ideen mit anderen Kommunen zu teilen.
Das hat die Jury überzeugt
Die Jury überzeugte die breite Einbindung und Methodenvielfalt des Prozesses. Weiters wurde die Dauerhaftigkeit und Umsetzungsgarantie als sehr positiv bewertet sowie die mögliche Transferwirkung für andere Gemeinden in Österreich hervorgehoben.