ÖGUT-Umweltpreis 2024

Nominiert in der Kategorie "Mit FTI zur Kreislaufwirtschaft"

Biertreber © AEE INTEC

Entwicklung eines kreislauforientierten kaskadischen Verwertungszyklus für Biertreber (AEE Intec)

Als ein Nebenprodukt der Bierherstellung fallen etwa 200 g Biertreber pro Liter gebrautes Bier an. Biertreber ist reich an Proteinen und enthält zwischen 15 und 26 Prozent Protein bezogen auf die Trockenmasse. In Österreichs Brauereien fallen jährlich rund 192.000 t Treber an. Angesichts der großen Mengen stellt Biertreber eine wertvolle Ressource und kostengünstige, nachhaltige Rohstoffquelle für eine Proteinextraktion dar.

Das Projekt zielte darauf ab, einen kreislauforientierten Verwertungszyklus für Biertreber zu entwickeln, um diesen ressourceneffizient und nachhaltig zu nutzen. So kann dadurch der Einsatz fossiler Ressourcen wie Torf und Erdgas reduziert und die Nährstoffkreisläufe im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft geschlossen werden.

Biertreber energetisch und stofflich weiter nutzen

Die wesentliche Innovation des Forschungsprojektes war die Entwicklung eines neuen kreislauforientierten, kaskadischen Verwertungszyklus für Biertreber im Sinne der "Grünen Brauerei Göss". Die "Grüne Brauerei Göss" arbeitet als weltweit erste Großbrauerei am Standort Göss thermisch energieautark und setzt konsequent auf nachhaltige Produktionsmethoden. Das Konzept zielt darauf ab, Biertreber nicht nur wie bisher energetisch, sondern auch stofflich in verschiedenen Stufen zu nutzen und damit eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu etablieren.

Forschung Schritt für Schritt

Um die Forschungsfragen so umsichtig wie möglich beantworten zu können, gingen die Expert:innen der AEE INTEC wie folgt vor:

  • Zunächst wurde Biertreber getrocknet, tiefgefroren und mit Wasser wieder aufbereitet, um für die Experimente ein homogenes und praxisnahes Ausgangsmaterial zu gewährleisten.
  • Im Technikum der AEE INTEC wurde anschließend die bestehende Anlage für oszillierende Flow-Reaktoren erweitert, um eine kontinuierliche Proteinextraktion durchführen zu können, basierend auf den Hydrolysebedingungen, die gemeinsam mit der TU-Graz festgelegt wurden.
  • Besonderes Augenmerk wurde auf die Trenntechnologie gelegt. Diese ist entscheidend, um beide Fraktionen optimal weiterverarbeiten zu können. Verschiedene Verfahren zur effizienten Trennung von festen und flüssigen Fraktionen des vergorenen Biertrebers wurden getestet und ein geeignetes Verfahren identifiziert, bei der die Feststofffraktion möglichst trocken und die Flüssigfraktion weitgehend partikelfrei vorliegt. Damit wurde die Voraussetzung geschaffen, die Festfraktion als Torfersatzstoff und die Flüssigfraktion als Flüssigdünger weiter zu verwerten.
  • Unter verschiedenen Lagerbedingungen wurde die Stabilisierung der abgetrennten Festfraktion vor der Weiterverarbeitung zu einem Torfersatzstoff untersucht und optimiert, um eine homogene Materialqualität und langfristige Lagerfähigkeit sicherzustellen.
  • In Kooperation mit einer Großgärtnerei wurden Mischungen aus Biertreber und professionellen Kultursubstraten auf Torfbasis hergestellt und in Pflanzversuchen getestet, um die Eignung des Biertrebers als Torfersatzstoff zu bewerten.
  • Um über 90 Prozent des Stickstoffs aus der Flüssigphase zu entfernen und gleichzeitig Ammoniumsulfatlösung als Dünger zu produzieren wurde das Membrandestillationsverfahren weiterentwickelt. Die gereinigte Flüssigkeit konnte in den Biogasprozess zurückgeführt werden. Außerdem wurden Langzeitversuche zur Stabilität der Membran und zur Minimierung von Fouling durchgeführt und ein technisches Basisdesign für eine großtechnische Anlage entwickelt.

Der neue kreislauforientierte kaskadische Verwertungszyklus leistet einen relevanten Betrag zu den österreichischen Nachhaltigkeitszielen und zur Klimaneutralität. Etwa durch die Bereitstellung eines Torfersatzstoffes (wodurch die noch intakten Moorlandschafften geschützt werden) oder die Reduktion der massiven durch Torfabbau verursachten CO₂, CH₄ und N₂O (Lachgas) Freisetzung. Außerdem leistet das Projekt einen Beitrag zu Energie- und Emissionseinsparungen durch Substitution von industriell aus  Erdgas erzeugtem Stickstoff(-düngemittel) durch Verwendung eines recycelten Stickstoffdüngers.

Das hat die Jury überzeugt

Das vorgestellte Konzept trägt dazu bei, den Einsatz fossiler Ressourcen wie Torf und Erdgas zu reduzieren und schließt die Nährstoffkreisläufe im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Die Jury war insbesondere von der gleichzeitigen Nutzung der Faktoren Proteingewinnung (Tierfutter), Energieerzeugung (Biogas) und Torfersatz überzeugt. Besonders hervorgehoben wurde auch die durchdachte kaskadische Nutzung, die eine umfassende Wertschöpfung aus Biertreber ermöglicht. Zudem spricht die lange Forschungsphase, die zur Entwicklung des oszillierenden Reaktors führte, für das Engagement und die Expertise des Teams.

Ausblick

Viele Unternehmen der Lebensmittelbranche wie auch die Brauunion Österreich verfolgen einen Biogas-Ausbauplan, um die Abhängigkeit von Erdgas zu beenden. Es ist geplant, das entwickelte Konzept auf weitere Brauereistandorte der Brauunion Österreich zu übertragen, die in Österreich elf Standorte betreibt. Derzeit werden die Ergebnisse sowie das für die „Grüne Brauerei Göss" entwickelte, kreislauforientierte, kaskadische Verwertungskonzept im Rahmen des laufenden Projekts „CircularFood – Hochwertige Produkte durch kaskadische Verwertungszyklen von Reststoffen aus der Lebensmittelindustrie" auf weitere Bereiche der Lebensmittelindustrie übertragen.

Projektkonsortium

  • AEE INTEC: Das Forschungsinstitut entwickelte in Kooperation mit der Brauerei Göss das neue kreislauforientierte kaskadische Verwertungskonzept für den Reststoff Biertreber.
  • Terra Green GmbH: Als Ergebnis der Forschungstätigkeiten rund um die Brauerei Göss wurde 2023 die Terra Green GmbH durch Markus Derler gegründet. Das Start-up konzentriert sich auf die Entwicklung von Torfersatzstoffen und Bio-Pflanzsubstraten, die aus dem vergorenem Biertreber erzeugt werden.
  • Brauerei Göss: Die Brauunion Österreich verfolgt das Ziel, die Nachhaltigkeit ihrer Brauereien weiter zu steigern. In diesem Zusammenhang übernahm die Brauerei Göss eine zentrale Rolle, indem sie eine Machbarkeitsstudie zur Biertreber Verwertung initiierte.

Weitere Infos

Monika Auer (ÖGUT-Generalsekretärin), Andrea Reithmayer (ÖGUT-Präsidentin), Bettina Muster-Slawitsch (AEE INTEC), Christian Platzer (AEE INTEC), Christian Holzer (Leiter der Sektion „Umwelt und Kreislaufwirtschaft“, BMK). © Katharina Schiffl