ÖGUT-Umweltpreis 2024
Nominiert in der Kategorie „Frauen* in der Umwelttechnik“ – Senior (mehr als 5 Jahre Berufserfahrung)
Christine Gröll, MSc
Christine Gröll ist bei Alpacem Zement Austria GmbH interdisziplinäre Führungskraft mit einem fachlichen Schwerpunkt auf der Reduktion von CO2-Emissionen durch innovative Rohstoff-, Brennstoff- und Prozessoptimierungen. Sie trägt die Führungsverantwortung für ca. 50 Mitarbeitende (davon über 95 Prozent männliche Kollegen) sowie die Budgetverantwortung für etwa 12 Mio. €. Gleichzeitig ist sie dabei, ihr Doktoratsstudium an der Montanuniversität Leoben am Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung zum Thema „Entwicklung eines automatisierten Qualitätssteuerungskonzepts zur Rohmehlproduktion in mischbettlosen Zementwerken unter Einsatz variabler Ersatzrohstoffraten" abzuschließen.
Forschung anwenden
Bereits während ihres Studiums war für Gröll klar, dass sie ihr Wissen praktisch in der Industrie einsetzen will, um nachhaltige Lösungen zu fördern. Als Wirtschaftschemikerin mit landwirtschaftlichem Familienhintergrund setzt sie sich dafür ein, CO2-Emissionen im Herstellungsprozess zu reduzieren und die Potenziale der Kreislaufwirtschaft voll auszuschöpfen. Ihr Engagement für eine CO2-effiziente Zementproduktion ist dabei sowohl beruflich als auch persönlich motiviert. Sie unterstützt aktiv wissenschaftliche Arbeiten in der Industrie, um diese Innovationen voranzutreiben.
„Umweltherausforderungen erfordern interdisziplinäre Ansätze. Statt CO2-Emissionen abzuscheiden, müssen Emissionsquellen direkt reduziert und Prozesse neu gedacht werden. Der Preis zeigt, dass echte Nachhaltigkeit durch mutige, ganzheitliche Lösungen entsteht, die Ursachen statt Symptome angehen", so Christine Gröll.
CO2-Fußabdruck in der Zementproduktion minimieren
Grölls Ziel ist es, den CO2-Fußabdruck in der Zementproduktion zu minimieren, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu gewährleisten und die Kreislaufwirtschaft weiter voranzutreiben. Wie ihr das gelingen soll? Sie entwicklet innovative, CO2-optimierte Verfahren zur Herstellung von Portlandzementklinker durch den Einsatz nachhaltiger Ersatzroh- und -brennstoffe (ERS / EBS). Dabei soll eine ERS-Rate von über 30 Prozent erreicht und eine vollständige Umstellung auf EBS realisiert werden. Bis Ende 2027 strebt sie die Herstellung von Portlandzementklinker im industriellen Routinebetrieb mit einer ERS-Rate von über 30 Prozent und einer EBS-Rate von 100 Prozent an. Ein wesentlicher Meilenstein wurde bereits erreicht: Ihre Entwicklung eines automatisierten, modellbasierten Steuerungskonzepts ermöglicht die Herstellung von CO2-optimiertem Rohmehl aus bis zu 50 Komponenten. Der wesentliche Innovationscharakter ihres Projekts liegt in der Fähigkeit, die Herausforderungen des erhöhten Einsatzes von ERS zu bewältigen – insbesondere die schwankende Verfügbarkeit und Qualität dieser Materialien.
Ein weiterer Meilenstein in ihrer Vision einer nachhaltige Klinkerproduktion ist der Bau einer ERS-Aufbereitungsanlage. Diese würde langfristig die Verfügbarkeit der ERS (Bedarf 250.000-300.000 t/Jahr) sicherstellen. Das Projekt wird von Christine Gröll geleitet und befindet sich in der Endphase der konzeptionellen Ausarbeitung.
Frauen unterstützen
Als Technikerin in der männerdominierten Zementindustrie ist es für Gröll wichtig, junge Frauen zu unterstützen und ihnen Mut zu machen, sich in so einer Branche zu positionieren. Das macht sie als Mentorin im beruflichen Mentoring-Programm „MentorMe" für Frauen im deutschsprachigen Raum.
„In meiner Rolle als Mentorin helfe ich Frauen, Selbstbewusstsein zu entwickeln und sich als gleichwertig zu sehen. Meine Expertise in der Kombination von technischer Kompetenz und wissenschaftlicher Arbeit ermöglicht es mir, angehende Absolventinnen zu ermutigen, praxisnahe und industrienahe Forschung zu betreiben", so Gröll.
Das hat die Jury überzeugt
Die Jury überzeugte die beeindruckende Karriere von Christine Gröll, die sich in einem männlich dominierten Arbeitsumfeld durch bemerkenswertes Durchsetzungsvermögen und ein starkes Engagement für die Frauenförderung auszeichnet. Durch die Entwicklung innovativer Verfahren zur CO2-Reduktion in der Zementproduktion trägt sie dazu bei, den CO2-Fußabdruck zu verringern und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen voranzutreiben. Trotz der kontroversen Diskussion über die Umweltauswirkungen von Zement zeigt ihr Beispiel, dass Fortschritte in dieser Branche möglich sind. Ihre Arbeit kann ein positives Signal dafür sein, wie auch in herausfordernden Sektoren klimafreundliche Lösungen angestrebt werden können.