ÖGUT-Umweltpreis 2022

Nominiert in der Kategorie "Nachhaltige Kommune"

Städte und Gemeinden gestalten das unmittelbare Lebensumfeld für Bürger:innen. Die Auszeichnung würdigt Engagement und Projekte mit hoher Vorbildwirkung auf kommunaler Ebene und stärkt das Bewusstsein für die Bedeutung der Kommunen.

Supergrätzl Favoriten – Pilotprojekt

Stadt Wien – Stadtentwicklung

Weltweit sehen sich Städte mit ähnlichen Problemlagen konfrontiert: Die städtische Bevölkerung wächst, während Hitzerekorde neue Herausforderungen mit sich bringen. Auch Wien spürt die Auswirkungen des Klimawandels bereits deutlich. Um die Klimakrise gut zu bewältigen, bedarf es zukunftsweisender Projekte der Stadtplanung, die effektiv koordiniert werden müssen. Hier kommt das erste Wiener Supergrätzl ins Spiel, ein Pilotprojekt der Stadt Wien.

Was in Barcelona als "Superblock" für internationale Aufmerksamkeit gesorgt hat, ist in Wien das "Supergrätzl". Es bietet eine Neuausrichtung der Nutzung und Gestaltung öffentlicher Straßenräume im Kontext des Klimawandels. Dazu kombiniert es Maßnahmen in den Zielbereichen Mobilität und Verkehr, Klimaanpassung und Klimaschutz, öffentlicher Raum und Aufenthaltsqualität, Partizipation und Teilhabe, Grätzlentwicklung sowie Gesundheit und Wohlempfinden.

Im 10. Bezirk wurde das Konzept erstmals angewandt und im Rahmen eines Pilotprojekts von Juli 2021 bis Oktober 2022 getestet. Das Gebiet spannt sich mit einer Größe von 9,5 Hektar zwischen der Neilreichgasse, Gudrunstraße, Leebgasse und Quellenstraße auf. Es eignet sich besonders als Supergrätzl-Pilotprojekt, da die Bebauungs- und Bevölkerungsdichte hoch ist, durch den hohen Versiegelungsgrad eine starke Hitzebelastung zeigt und sich mehrere Bildungseinrichtungen im Gebiet befinden.

© Stadt Wien, Christian Fürthner

Neue Verkehrsorganisation als Kern der Transformation

Die Straßenräume wurden dazu genutzt, das Grätzl Schritt für Schritt in Richtung Klimamusterstadt zu transformieren. Ziel ist es, den Straßenraum als wertvolles öffentliches Gut zu begreifen, die lokale Mobilität entsprechend neu zu organisieren und dabei Platz für Klimawandelanpassungsmaßnahmen zu schaffen. Mit einer Kombination aus Maßnahmen, wie Modal- und Diagonalfiltern an den Kreuzungen, Bodenmarkierungen, Gehsteigvorziehungen und der Verordnung einer neuen Fußgängerzone vor der Schule, wurde der Durchzugsverkehr im Grätzl unterbunden. Während Radfahrer:innen an den Kreuzungen weiterhin in alle Richtungen fahren können, werden Kfz zu den Hauptstraßen zurückgeleitet. Zudem wurden einige Stellplätze reduziert und für Maßnahmen zur Klimaanpassung genutzt, wie z. B. Mobiles Grün (Pflanztröge und XL-Bäume), Wasserelemente (Nebelstehle) und Sitzmöglichkeiten.

Wichtige Informations- und Beteiligungsformate
Im Zuge der Pilotphase wurden verschiedene Informations- und Beteiligungsformate gemeinsam mit einer Vielzahl an lokalen Kooperationspartner:innen durchgeführt, wie etwa:

  • Zwei Straßenlabore,
  • Informationsveranstaltung,
  • Themenspaziergänge,
  • Straßenfest,
  • Dauerhafte Freiluftausstellung.
  • Das Grätzlwagerl mit Ausstellung, Ideenbox zur Sammlung von Prioritäten, mehrsprachige Befragungsbögen waren Teil jeder Veranstaltung.

Die begleitende Beteiligung hat wesentlich dazu beigetragen, Erkenntnisse aus der Pilotphase zu gewinnen. Insgesamt haben rund 1.300 Menschen an den Beteiligungsformaten zwischen September 2021 und September 2022 teilgenommen.

Die Learnings aus der Pilotphase
Die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse fließen in Bestrebungen weiterer Supergrätzl sowie weiteren Transformationsmaßnahmen auf Grätzlebene in Wien ein. Die Pilotphase hat gezeigt, dass es bezüglich der neuen Verkehrsorganisation Nachjustierungsbedarf gibt. Das neue Angebot an Freiraumnutzungen wird seitens der Beteiligten/der Bevölkerung ambivalent wahrgenommen. Einerseits wird ein Ausbau des Angebots an Sitzgelegenheiten und Cooling-Maßnahmen deutlich begrüßt, andererseits zeigte die Pilotphase eindrücklich, dass bei vermehrter Nutzung des öffentlichen Raums auch Nutzungskonflikte wie Lärmproblematiken und Verschmutzungen auftreten. Hier könnten zukünftig Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung, zur gegenseitigen Achtsamkeit und Einhaltung der Nachtruhe im Grätzl förderlich sein.

Durch die Umsetzung des Projekts konnten stadtintern neue Prozesse in die Wege geleitet werden, die für künftige vergleichbare Projektvorhaben Anwendung finden werden.

„Das Supergrätzl ist ein innovativer Ansatz zur Verkehrsberuhigung im städtischen Umfeld", so die Jury in der Begründung, in der sie sich auch begeistert von den ansprechenden Planungsunterlagen, der breiten Einbindung der Bevölkerung und dem Umgang mit den „Learnings aus dem Projekt" zeigt, da Supergrätzl eine hohe Relevanz für die Gestaltung urbaner Bereiche haben.

Webseite: www.wien.gv.at/stadtplanung/supergraetzl-favoriten
Infobroschüre

v.l.n.r.: Monika Auer (ÖGUT-Generalsekretärin), Ina Homeier, Astrid Klimmer-Pölleritzer (Stadt Wien – Stadtentwicklung und Stadtplanung), Andrea Reithmayer (ÖGUT-Präsidentin). © Katharina Schiffl
v.l.n.r.: Monika Auer (ÖGUT-Generalsekretärin), Ina Homeier, Astrid Klimmer-Pölleritzer (Stadt Wien – Stadtentwicklung und Stadtplanung), Andrea Reithmayer (ÖGUT-Präsidentin). © Katharina Schiffl