Projekt
Umweltmediation - Praktische Erfahrungen in Österreich
Auftraggeber bmlfuw
Status/Laufzeit abgeschlossen (1999)
Einleitung
Ob Hochleistungsstrecke oder Erweiterung eines Holzverarbeitungsbetriebs: Umweltrelevante Projektvorhaben lassen sich auch nach jahrelangen Auseinandersetzungen noch im Einvernehmen mit allen Betroffenen realisieren. Immer häufiger werden in Österreich Umweltmediationsverfahren durchgeführt, um Konflikte zu lösen.
Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie "Umweltmediation - Praktische Erfahrungen in Österreich". Im Auftrag des Umweltministeriums hat die ÖGUT erstmals eine umfassende Dokumentation von Mediations- und mediationsähnlichen Verfahren erstellt, bei denen unter Leitung einer allparteilichen Vermittlungsperson eine gemeinsame Lösung für ein umweltrelevantes Projektvorhaben verhandelt wurde.
Die Recherche erstreckte sich auf das gesamte Bundesgebiet. Mehr als 150 Institutionen und Organisationen in der Verwaltung, Gemeinden, Wirtschaft, Interessensverbänden, Naturschutz- und Umweltorganisationen wurden nach ihrer Kenntnis von einvernehmlichen Konfliktregelungsverfahren befragt. Mit mehr als 70 Personen wurden Tiefeninterviews über die einzelnen Verfahren geführt.
Ziele
Ziel der Untersuchung war es, erstmalig festzustellen
- wie viele Mediationsverfahren es bei umweltrelevanten Projektvorhaben in Österreich bereits gab,
- wie sich deren Ablauf gestaltet hat,
- welche Elemente förderlich bzw. hinderlich für das Verfahren waren.
Kriterien
Zur Kategorisierung der Verfahren wurden folgende Kriterien herangezogen:
- Die Einbeziehung aller Betroffenen mit Verhandlungsmandat,
- die allparteiliche Vermittlungsperson,
- die Verhandelbarkeit des Projektvorhabens.
Weitere wichtige Kriterien waren Freiwilligkeit und Selbstbestimmung, sowie die Konsensabsicht und Mediationsvereinbarungen.
Ergebnisse
Neunzehn Verfahren
Zwischen 1990 und 1999 haben 19 Verfahren bei umweltrelevanten Projektvorhaben stattgefunden bzw. begonnen, die als Mediations- oder mediationsähnliches Verfahren kategorisiert wurden. In 5 weiteren Fällen wurden Verfahren mit mediativen Elementen durchgeführt. (Die Verfahren mit mediativen Elementen wurden nicht in die Analyse miteinbezogen)
Zahl der Verfahren steigt
Mehr als die Hälfte der Mediations- und mediationsähnlichen Verfahren wurde seit 1997 initiiert. Mediation wird demnach als Konfliktregelungsform immer häufiger angewendet. Vorreiter in der Durchführung von Mediationsverfahren sind Salzburg, Wien und Oberösterreich.
Erfolge
Von den 14 abgeschlossenen Verfahren haben 13 Verfahren mit einer konsensualen Einigung geendet, nur ein Verfahren wurde abgebrochen.
Projektwerber
Die beteiligten Projektwerber waren vor allem Unternehmen aus dem Infrastrukturbereich, gefolgt von Industrie- und Gewerbeunternehmen sowie Gemeinden. Der wichtigste Anwendungsbereich ist der Infrastrukturbereich Verkehr/öffentlicher Raum. Umweltmediation kommt weiters bei Projekten aus der Abfallwirtschaft, bei der Errichtung bzw. Erweiterung von Betriebsanlagen und dem Infrastrukturbereich Telekommunikation zum Einsatz.
Lange Konfliktgeschichte
Rund der Hälfte der Verfahren ging eine lange Konfliktgeschichte voraus (bis zu 20 Jahre). Diese Fälle konnten dennoch alle mit einer Einigung abgeschlossen werden.
Initiative
Die Initiative für die Anwendung von Mediation zur Konfliktbeilegung ging meist vom Projektwerber aus, gefolgt von der Anregung durch kommunale PolitikerInnen. In den meisten Fällen war die Motivation der BürgerInnen zur Beteiligung an dem Verfahren geprägt von einer Kontra-Haltung in bezug auf Projekte, von denen eine Existenzbedrohung oder Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit befürchtet wurde.
Die Frage war jedoch nicht, ob, sondern wie die Projekte verwirklicht werden sollten, die Projektvorschläge orientierten sich an der Machbarkeit. Als Motivation für die Beteiligung oder Initiierung des Verfahrens spielte auch der Wunsch eine Rolle, Diskussionen von der emotionalen auf eine sachliche Ebene zu bringen.
Bei den meisten Verfahren wurde die Vermittlungstätigkeit von Kommunikationsbüros und ausgebildeten MediatorInnen wahrgenommen.
Ablauf
Der Ablauf der Mediationsverfahren wurde im Vorhinein durch Zielsetzungen, Verhaltensregeln, etc. strukturiert. In jedem Verfahren gab es mindestens ein Verhandlungsgremium.
Dauer
Die meisten Verfahren konnten binnen eines Jahres abgeschlossen werden. Ein Verfahrensbeginn zu einem frühen Zeitpunkt des Konflikts wirkte sich positiv auf die Dauer der behördlichen Genehmigungsverfahren aus.
Kosten
Als Richtgröße für die Kosten eines Mediationsverfahren wurde von Beteiligten ein Betrag im Promillebereich der Projektsumme genannt, bei kleineren Projektvorhaben (Industrie- und Gewerbeprojekten) im einstelligen Prozentbereich der Projektsumme. Die Finanzierung der Mediationsverfahren wurde entweder allein vom Projektwerber oder gemeinsam mit öffentlichen Körperschaften (Gemeinden, Land, Bund) getragen.
Maßnahmen
Die in den Mediationsvereinbarungen festgelegten Maßnahmen gehen über gesetzlich vorgeschriebene Richtlinien, Grenzwerte oder sonstige Verpflichtungen eines Projektwerbers hinaus bzw. beinhalten kreative Lösungen. Die Vereinbarungen betreffen vor allem Lärmschutzvorkehrungen, Emissionsbeschränkungen, Informationssysteme, Umweltschutzmaßnahmen für die Bau- und Betriebsphase, Kontrollsysteme und ökologische Ausgleichsmaßnahmen.
Beurteilung
Die Beurteilung des Verfahrensprozesses fällt bei den meisten Beteiligten sehr positiv aus. Besonders häufig wurden in den Gesprächen die Offenheit (speziell von Projektwerbern), die Transparenz und die Rolle der Vermittlungsperson positiv hervorgehoben. Die Verbesserung des Vertrauensverhältnisses im Laufe des Verfahrens wurde als wichtiger Effekt genannt.
Als kritische Punkte, die den Fortgang des Verfahrens gefährdeten, wurden z. B. die Nichteinhaltung von Spielregeln, Zeitdruck, das Zurückhalten von Informationen und eigenständige Presseaktivitäten einzelner Beteiligter genannt.
Erfolgsfaktoren
Die Erfahrungen zeigen, dass
- die Einbeziehung aller Betroffenen
- die professionelle Vermittlungstätigkeit
- klare Verfahrensstrukturen
- die Verbindlichkeit der Vereinbarungen
entscheidende Erfolgsfaktoren für Umweltmediationsverfahren darstellen.
Bekanntheitsgrad
Die Recherchen im Zuge der vorliegenden Untersuchung machten deutlich, dass zwar der Begriff Mediation, jedoch nicht im selben Ausmaß die Funktionsweise und Charakteristika eines solchen Verfahrens bekannt sind.
Empfehlungen
Um Umweltmediation als Konfliktregelungsverfahren stärker zu verankern, ist es notwendig, eine begriffliche Abgrenzung vorzunehmen, zielgruppenspezifische Informationsarbeit zum Thema zu leisten und Anreize zur Anwendung von Mediation zu schaffen. Es ist empfehlenswert, dafür eine Anlauf- und Informationsstelle für Umweltmediation in Österreich aufzubauen.
Team
Wissenschaftliche Leitung/Verfasserin:
Mag.a Anita Zieher, ÖGUT
Recherche: Umweltmanagement Austria