ÖGUT-Themenfrühstück

Weniger Stellplätze – nachhaltigere Mobilität?

Thema dieses ÖGUT-Themenfrühstücks waren die gesetzlichen Vorschriften zur Errichtung von Pkw-Stellplätzen.

DI Tadej Brezina von der TU Wien, Institut für Verkehrswissenschaften, Forschungsbereich für Verkehrsplanung und -technik, zeigte in seiner Präsentation zum Thema „Umweltfreundliches Parkraum-Management“, dass das Thema Parkplätze stark emotional besetzt ist. In vielen Städten – als Beispiel gezeigt wurde Houston – sind Parkplätze und Autos anstelle des Menschen zum grundlegenden Design-Element geworden; obwohl Autos 95,5 % der Zeit nicht benutzt werden. Betrachtet man die Kosten, die für die Beanspruchung der Fläche zu tragen sind, werden die Fahrzeuge in einem Vergleich von Wohnungs- und Abstellkosten um das 32-38-fache bevorzugt. Tadej Brezina präsentierte auch Ergebnisse einer Analyse der gesetzlichen Regelungen betreffend die Stellplatzverpflichtung in den österreichischen Bundesländern Kärnten und Tirol lagern diese Kompetenz auf Gemeindeebene aus. Das in Baufragen vorbildliche Vorarlberg legt sich bei Büro- und Verwaltungsräumen hinsichtlich Stellplatzverpflichtung gar nicht fest („Nach dem voraussichtlichen Bedarf"). Die Festlegungen aller Bundesländer sind den Präsentationsfolien bzw. dem klimaaktiv Leitfaden Umweltfreundliches Parkraummanagement (siehe Downloads bzw. Link weiter unten) zu entnehmen. Anstelle der Vorschreibung der Errichtung einer Mindestanzahl an Pkw-Stellplätzen sehen die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen RVS 03.07.11 die Errichtung einer Maximalanzahl von Pkw-Stellplätzen in Abhängigkeit vom Modal Split vor. Tadej Brezina zeigte mögliche Ansatzpunkte für die Reformierung von Stellplatz-Errichtungen, wie das Best-practice-Beispiel Freiburg-Vauban, wo das Auto im Siedlungsraum nur „zu Gast“ ist.

ÖGUT-Expertin Claudia Dankl widmete sich in ihrem Vortrag zunächst der Bedeutung von Mobilität in Smart Cities. Betrachtet man den Endenergieverbrauchs und CO2-Emissionen, bietet die Mobilität enorme Einsparungspotentiale. Claudia Dankl zeigte nationale und internationale Best-practice-Beispiele zur Senkung des Stellplatzschlüssels. Die von der Stadt Graz mit Bauwerbern abgeschlossenen Mobilitätsverträge ermöglichen es, weniger Stellplätze zu errichten, wenn im Gegenzug Maßnahmen des Mobilitätsmanagements umgesetzt werden. Auch in der Seestadt Aspern in Wien werden innovative Maßnahmen für eine umweltfreundlichere Mobilität umgesetzt – finanziert durch einen Mobilitätsfonds. Beim „Wohnprojekt“ am Wiener Nordbahnhofgelände gelang es durch die Widmung als Wohnheim, die Verpflichtung zur Errichtung privater Pkw-Stellplätze zu umgehen. Als internationale Best-practice nannte Claudia Dankl die HafenCity Hamburg, wo nachhaltige Mobilität u.a. durch „Walkability“ und „Cyclability“ sowie durch einen guten Anschluss an den Öffentlichen Verkehr umgesetzt wird. Interessant auch das Beispiel Japan: Wer in einer japanischen Stadt ein Auto kaufen will, muss nachweisen, dass es dafür einen Stellplatz gibt.

In der Diskussion wurde angemerkt, dass im Zusammenhang mit weniger Stellplätzen auch die Themen Radfahren, Belebung der Erdgeschoßzonen und die Entwicklung der Elektromobilität Bedeutung gewinnen. Es sei anzudenken, Mobilitätsthemen wie z.B. die Errichtung von Radabstellanlagen auch in die OIB-Richtlinien aufzunehmen und damit verstärkt zum Thema zu machen (OIB: Österreichisches Institut für Bautechnik, siehe auch www.oib.or.at).

Teilnehmende BauträgerInnen beklagte eine Überforderung durch zu viele Richtlinien und Vorschriften, auch im Bereich der Mobilität. Ihr Kerngeschäft ist die Errichtung von Gebäuden, Expertise für das Mobilitätsmanagement oder die Bewirtschaftung und Vermietung der Erdgeschoßzonen müsse zugekauft werden, wenn nicht eine Entwicklungsgesellschaft oder die Stadtverwaltung selber solche Aufgaben übernehmen. Die BauträgerInnen müssen bei neuen Projekten und Ausschreibungen oftmals Beiträge für einen Mobilitätsfonds leisten, erhalten jedoch für die Konzeption und Umsetzung von Mobilitätsmaßnahmen oftmals keine Unterstützung. Diese würden sie jedoch dringend benötigen.

Zur Sprache kam auch die Entwicklung in der Stadt Wien: Generell ist die Lagerung von Gegenständen im Straßenraum verboten, seit 1930 ist allerdings das Abstellen von Kfz erlaubt. Seither werden fast keine öffentlichen Garagen mehr erbaut, daher würden wiederum die BauträgerInnen durch die Stellplatzverordnung zur Errichtung von Stellplätzen gezwungen. Die entsprechenden Gesetze seien ein "Flickwerk", ein Teilnehmer forderte, dass diese neu aufgesetzt werden.

Einigkeit herrschte darüber, dass auch gesellschaftliche Entwicklungen müssten bei der Diskussion berücksichtigt werden müssen. Immer weniger junge Menschen haben einen Führerschein, in 15 bis 30 Jahren würde sich das Mobilitätsverhalten ändern. Langfristig ist eine Änderung Reduktion des Autobesitzes zu erwarten. Mit dem Bau von Tiefgaragen werden die derzeitigen Strukturen langfristig und teuer festgeschrieben. Die Errichtung von Sammelgaragen sei positiv zu beurteilen, da sie später leichter umgenutzt werden können, als z.B. Tiefgaragen oder gänzlich abgerissen - und durch andere Nutzung ersetzt - werden können. Erfahrungen in der Seestadt Aspern zeigen, dass eine Entfernung von 300 bis 500 Metern zum Stellplatz akzeptiert wird, aber Kosten in der Höhe von 86 Euro pro Monat als abschreckend empfunden werden.

Insbesondere im Wiener Speckgürtel werde eine Flut an Parkplätzen errichtet. Das Angebot von Carsharing-Plätzen könnte eine Alternative sein.

Einige TeilnehmerInnen erwähnen die Wichtigkeit von Bewusstseinsbildung sowie die Tatsache, dass auch bereits jetzt jede/r einzelne etwas tun kann. Viele Menschen betrachten die Benutzung des Autos als ein persönliches Grundrecht. Als ein strukturelles Problem wurde die begünstigte Nutzung von Firmenautos genannt.

In Paris werde der öffentliche Raum verstärkt für FußgängerInnen reserviert, z.B. auf Gehsteigen mithilfe von Pollern. Auch ein System von Leihfahrrädern ist installiert worden, das im Stadtbild intensiv wahrgenommen werden könne und entsprechend gut genutzt werde.

Im geförderten Wohnbau plädieren einige TeilnehmerInnen, für die Festlegung einer Mindestgrenze und einer Maximalgrenze für Pkw-Stellplätze. Bezüglich der Maximalgrenze fehle eine Wien-weit einheitliche Regelung. In Zürich z.B. wurden Parameter festgelegt, wie das Stellplatzregulativ heruntergesetzt werden kann. Eine weitere Möglichkeit, die Stellplätze im öffentlichen Raum zu reduzieren, ist die Einführung von Kurzparkzonen. In der Seestadt Aspern ist die Kurzparkzone in zwei Geschäftsstraßen umgesetzt, man brauchte dafür allerdings eine Begründung.

Die Einrichtung von Mobilitätsfonds im Zuge von Bauprojekten ermögliche den Shift weg vom Garagenbau hin zu nachhaltiger Mobilität. Neue Aufgabenstellungen auf dem Gebiet der Mobilität würden ein neues Selbstbild für BauträgerInnen erfordern. In Aspern werden Agenden des Mobilitätskonzepts und der Nahversorgung durch die Entwicklungsagentur Wien 3420 wahrgenommen.

Generell seien klare Richtlinien und Vorgaben seitens der Politik erforderlich. 

Fazit

Vorträge und Diskussion zeigten, dass die Anzahl und Lage von Kfz-Stellplätzen das Mobilitätsverhalten von BewohnerInnen beeinflussen. Die Fokussierung der Gesetze auf den Pkw-Verkehr hemmt die Wahl anderer Verkehrsmittel. Eine neue Stellplatzpolitik, die mehr Flexibilität ermöglicht und aktiv Alternativen fördert, sollte angedacht werden.

klimaaktiv mobil Umweltfreundliches Parkraummanagement

Leitfaden für Länder, Städte, Gemeinden, Betriebe und Bauträger 

Die Organisation des ruhenden Verkehrs ist ein Schlüssel zur Verkehrsmittelwahl. Die Zugänglichkeit des jeweiligen Verkehrsmittels und die Verfügbarkeit von Abstellflächen am jeweiligen Ziel sind vielfach entscheidend für die Wahl eines bestimmten Verkehrsmittels. Der Leitfaden enthält u.a. Checklisten für das Auffinden von Spielräumen bei der Errichtung von Stellplätzen, für drei Zielgruppen:

  • Bundesländer
  • Städte und Gemeinden
  • BauwerberInnen und InvestorInnen

Download des Leitfadens auf der klimaaktiv-Website

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