ÖGUT-Themenfrühstück

Gebäudebewertung und -verwertung. Der Stellenwert von Gebäudezertifizierungen aus Sicht österreichischer InvestorInnen

Am 24. April 2014 fand in der ÖGUT ein Themenfrühstück zum Thema „Gebäudebewertung und -verwertung“ statt, das gemeinsam mit der ÖGNB veranstaltet wurde.

Bei den Referaten von Marion Hejda M.A., Mag. Alexander Stichler, Mag.a Susanne Hasenhüttl und DIin Margit Schön wurde deutlich, dass die Gebäudebewertung ein Thema ist, das zunehmend auch für ImmobilieninvestorInnen an Bedeutung gewinnt.

Marion Hejda M.A. präsentierte ihre Diplomarbeit: „Die Bedeutung von Gebäudezertifizierungen  am österreichischen Immobilienmarkt“  Mag. Alexander Stichler  von der Bank Austria – International Real Estate Finance präsentierte seine Master-Thesis zum Thema: „Die Bedeutung der Zertifizierung von Büro- und Handelsimmobilien für deren Finanzierung“ Die ÖGUT ExpertInnen Mag.a Susanne Hasenhüttl und DIin Margit Schön präsentierten ihre Erfahrungen aus dem nachhaltigen Finanzmarkt und der Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden unter dem Thema: „Das Potenzial von gebäudebezogenen Nachhaltigkeitskriterien im nachhaltigen Immobilien-Investment“

In der von DIin Susanne Supper von der ÖGUT moderierten Veranstaltung kristallisierten sich mehrere Schwerpunkte heraus: Für Investoren sind vor allem die großen internationalen Zertifikate von Bedeutung. Ausgewählt wird nach Bekanntheit des Labels und nicht nach den inhaltlichen Schwerpunkten des Zertifikates. Die Entscheidungen fallen meist eher aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten als aus Nachhaltigkeitsgründen. Die Inhalte und die Schwerpunkte, aber auch die Anforderungen der verschiedenen am Markt verfügbaren Gebäudezertifikate, sind sehr unterschiedlich; durch die mangelnde Transparenz sind die auf den Zertifikaten ausgewiesenen Bewertungsergebnisse oft auch schwer vergleichbar. 

Umso wichtiger ist es, das Augenmerk vor allem auf die Qualitätsmerkmale, die mit bestimmten Zertifikaten verbunden sind, zu legen und in der Immobilienwirtschaft das Verständnis für den Inhalt der Zertifikate zu schärfen; dafür ist noch einiges an Übersetzungsleistung notwendig. 

Im Vordergrund bei der Entscheidung für ein bestimmtes Bewertungssystem sollte die Gebäudequalität stehen, die damit verbunden ist, und weniger Aspekte wie Bekanntheit oder Verbreitung des Labels am Markt. Durch die derzeit stark spürbare Konzentration auf den für Marketingzwecke relevanten „Marktwert“ eines Labels, gehen die Aspekte, die sich auf die Qualitäten im Sinne der Nachhaltigkeit eines Gebäudes beziehen, verloren. 

Genau hier sind jedoch auch die Träger von Gebäudebewertungssystemen aufgefordert: Von Seiten der Banken- und Immobilienwirtschaft wird vielfach der undurchsichtige „Zertifikate-Dschungel“ kritisiert und die Tatsache, dass die Bewertungskriterien und erforderlichen Nachweise sehr komplex und oft nur für ExpertInnen wirklich verständlich sind. Vor dem Hintergrund dieser essentiellen Forderung, die Qualitätsmerkmale nachhaltiger Gebäude leicht fassbar und verständlich zu kommunizieren, entwickelte die ÖGUT beispielsweise das Wohnungsvergleich-Tool (www.wohnungsvergleich.at), welches u.a. Kriterien aus dem klimaaktiv Gebäudestandard sowie dem TQB-System der ÖGNB in eine für EndkundInnen verständliche Ebene übersetzt und Wohnungssuchenden damit eine konkrete Entscheidungshilfe bei der Wohnungswahl liefert.  Die leichtere Kommunizierbarkeit und Verständlichkeit stand auch bei der Entwicklung der klimaaktiv Basiskriterien im Vordergrund. Dieses reduzierte Kriterienset soll eine möglichst rasche und kostengünstige Gebäudedeklaration ermöglichen.

Eine klare Kommunikation des Nutzens und der Vorteile für die verschiedenen Zielgruppen, die sich aus den Gebäudelabels ergeben, sind auch der Schlüssel für die internationale Sichtbarkeit. Die Vorreiterrolle Österreichs im nachhaltigen Bauen und dem Einsatz innovativer Gebäudetechnologien ist unbestritten, was nicht zuletzt auf langjährige F&E-Programme wie Haus der Zukunft / Stadt der Zukunft des BMVIT oder die vielfältigen Aktivitäten der ÖGNB – Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen zurückgeht und durch Erfolge wie dem Sieg beim SOLAR Decathlon 2013 mit dem Haus LISI unterstrichen wird. Was es zudem braucht, ist eine klare Kommunikation der zentralen Gebäudequalitäten – etwa im Sinne der klima:aktiv Basiskriterien, die hinter den heimischen Labels stecken. Damit kann neben großen internationalen Investoren auch die öffentliche Hand als nationaler, aber ebenfalls sehr großer Investor angesprochen werden – mit dem Ziel, dass letztere, etwa nach dem Vorbild der Union Investment in Deutschland, praktisch ausschließlich in Nachhaltigkeits-zertifizierte Immobilien investiert. Als Vorbild könnte hier die Union Investment in Deutschland dienen, die nur noch in nachhaltige, zertifizierte Immobilien investiert.

Im Bereich des Nachhaltigen Investment zeichnet sich ebenfalls ein steigender Bedarf an gebäudebezogenen Nachhaltigkeitskriterien bzw. Bewertungssystemen ab. Zwar ist der Marktanteil der nachhaltigen Investments noch gering, jedoch stetig im Wachsen begriffen. In Österreich sind es vor allem die institutionellen Investoren und unter diesen die sog. betrieblichen Vorsorgekassen (entstanden aus der „Abfertigung NEU“), die hier zunehmend nicht nur aus rein wirtschaftlichen Überlegungen, sondern auch aus ökologischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten investieren. Diese „nachhaltigen“ Investoren investieren auch in Immobilien bzw. Immobilienfonds. Ihrer Anlagepolitik entsprechend müssen auch diese Immobilien-Investments nachhaltig sein. Zertifikate für nachhaltige Gebäude sind für diese Investoren sehr hilfreich. Wichtig dabei ist jedoch eine möglichst transparente Darstellung der Kriterien, die hinter den Zertifikaten und Ausweisen stehen. 

Präsentationen

Die Bedeutung der Zertifizierung von Büro- und Handelsimmobilien für deren Finanzierung. Master-Thesis, Mag. Alexander Stichler

Das Potenzial von gebäudebezogenen Nachhaltigkeitskriterien im nachhaltigen Immobilien-Investment. Mag.a Susanne Hasenhüttl, DIin Margit Schön (ÖGUT)

Marion Hejda M.A. präsentierte ihre Diplomarbeit: „Die Bedeutung von Gebäudezertifizierungen am österreichischen Immobilienmarkt“

Zum Themenschwerpunkt „Gebäudezertifizierungen in Österreich“ wurden im Rahmen der Diplomarbeit der aktuelle Stellenwert am Markt, deren Vor- und Nachteile sowie mögliche Entwicklungspotenziale untersucht. Die Hauptergebnisse basieren auf qualitativ geführten Experteninterviews. Befragt wurden acht österreichische ImmobilieninvestorInnen, die Immobilien im Bestand halten und/oder entwickeln und verwerten. Die Erhebung hat ergeben, dass Gebäudezertifizierungen aktuell nur einen mittelmäßigen Stellenwert bei InvestorInnen einnehmen. Man ist sich darüber einig, dass Nachhaltigkeit bei Immobilien an Bedeutung gewinnen wird, aber ob dies eine Gebäudezertifizierung erforderlich macht, ist umstritten. Bei der Auswahl des Systems wird insbesondere auf den internationalen Bekanntheitsgrad Wert gelegt. Mehrwerte werden unter anderem beim Wettbewerbsvorteil und den niedrigen Betriebskosten gesehen. Einige ExpertInnen meinen, dass sich die Anforderungen an Immobilien zukünftig ändern und sich nachhaltige bzw. zertifizierte Gebäude zu einem neuen Standard entwickeln werden, der zu Preisstabilität am Markt führen könnte. 

Optimierungspotenziale bestehen bei der Bestandszertifizierung und in der Schaffung von Transparenz am Markt. Unter den InvestorInnen herrscht Unsicherheit, welche Zertifizierungen wirkliche Verbesserungen bringen und wie sich die Stärken und Schwächen der einzelnen Systeme darstellen. Zukünftig sollen auch die NutzerInnen einer Immobilie in den Nachhaltigkeitsprozess involviert und die Bewusstseinsförderung fokussiert werden, da das Nutzerverhalten die Umweltschonung positiv beeinflussen kann.

Mag. Alexander Stichler  von der Bank Austria – International Real Estate Finance präsentierte seine Master-Thesis zum Thema: „Die Bedeutung der Zertifizierung von Büro- und Handelsimmobilien für deren Finanzierung“

Mag.a  Susanne Hasenhüttl und DIin Margit Schön von der ÖGUT präsentierten ihre Erfahrungen aus dem nachhaltigen Finanzmarkt und der Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden unter dem Thema: „Das Potenzial von gebäudebezogenen Nachhaltigkeitskriterien im nachhaltigen Immobilien-Investment“. 

Susanne Hasenhüttl wies in ihrem Beitrag auf die zunehmende Bedeutung der sog. nachhaltigen Investoren hin. Diese nachhaltigen Investoren veranlagen die Gelder nicht nur aus rein wirtschaftlichen Überlegungen, sondern auch aufgrund ökologischer, sozialer und ethischer Kriterien. Ihr Marktanteil ist derzeit noch gering: Der letzte Marktbericht geht von einem Volumen von 5,6 Mrd. Euro in Österreich aus (für 2012). Das sind 3,6% der gesamten Fonds und Mandate. 

Die Nachfrage in Österreich kommt zu mehr als 80% aus dem institutionellen Bereich. Und es sind insbesondere die betrieblichen Vorsorgekassen, die als klare Vorreiter des nachhaltigen Investments gelten. Susanne Hasenhüttl führte aus, dass die ÖGUT bereits vor 10 Jahren damit begann, die betrieblichen Vorsorgekassen (und Pensionskassen) nach nachhaltigen Kriterien zu prüfen und zu zertifizieren. Diese Zertifizierung hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich in der Branche ein Nachhaltigkeitsstandard entwickeln konnte. Dadurch, dass zunehmend auch Immobilen und Immobilienfonds eine interessante Assetklasse für die Investoren darstellen, braucht es entsprechende nachhaltige Kriterien für die Veranlagung. Gebäudezertifikate können sich als sehr hilfreich erweisen, jedoch nur, wenn die Kriterien auch entsprechend klar und transparent kommuniziert werden, um die einzelnen Gebäudezertifikate untereinander vergleichbar zu machen. 

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